Urlaubsziele in Deutschland boomen, besonders in diesen Zeiten. Ich zeige euch Regionen in Mecklenburg-Vorpommern, die weniger bekannt- und trotzdem sehr sehenswert sind. Es erwarten euch unverbaute und nahezu ungezähmte Naturlandschaften – Oasen für seltene Pflanzen und Tiere. Und für stressgeplagte Großstädter. Ihr könnt ausgedehnte Radtouren machen, auf Seeadler-, Biber- oder Kranich-Safari gehen, den „Amazonas des Nordens„ mit dem Kanu erkunden, den Sternenhimmel bestaunen oder einfach nur die Stille genießen. Meine Tipps für einen Urlaub in der Flusslandschaft Peenetal und Stettiner Haff.

Zugegeben, bis ich die Region besuchte, hatte ich noch nichts von ihr gehört. Das Peenetal und das Stettiner Haff liegen südlich von der Insel Usedom und sehr nah an der Grenze zu Polen. Von Bird Watching über Rad- und Kanutouren bis hin zu nachhaltigen Übernachtungsmöglichkeiten – Vorpommern setzt auf nachhaltigen Tourismus und sanfte Naturerlebnisangebote. Übrigens: Die Region zählt zu den ärmsten Deutschlands, wer hier seinen Urlaub verbringt, kann also gleichzeitig etwas Gutes tun und die Einwohner und lokalen Unternehmen unterstützen.

Meine Geheimtipps für Mecklenburg-Vorpommern: Bird Watching im Anklamer Stadtbruch


Wusstet ihr, dass die Sehkraft von Seeadlern tausendmal besser ist, als die des Menschen? Diese und andere spannende Fakten erfuhren wir auf der Bird-Watching-Tour mit dem zertifizierten Naturführer Günther Hoffmann. Der Anklamer Stadtbruch zählt zu den interessantesten Naturschutzgebieten Vorpommerns. Früher wurde das Hochmoor für die Torfgewinnung entwässert, der Lebensraum einzigartiger Tier- und Pflanzenarten ging verloren. Erst durch zahlreiche Renaturierungsmaßnahmen konnten einige verbliebene Hochmoorflächen wiederbelebt werden. Seltene Tier- und Pflanzenarten kehrten zurück. Für den Klimaschutz sind Moore besonders wichtig: Sie machen nur drei Prozent der weltweiten Landfläche aus, speichern jedoch doppelt so viel Kohlenstoffdioxid wie alle Wälder der Erde zusammen.* Werden Moore zerstört, setzen sie hohe Mengen an klimaschädlichen Gasen frei.

Heute kann man entlang des Naturlehrpfades auf offenen Moorflächen und im Moorwald eine beeindruckend vielfältige Flora und Fauna entdecken: Das rund 15 Quadratkilometer große Wildnisgebiet ist zur Heimat für seltene Arten wie Seeadler, Kranich, Wendehals, Zwergschnäpper, Karmingimpel, Tüpfelsumpfhuhn, Fischotter, Moorfrosch und den Großen Feuerfalter geworden. Sogar der in unseren Breitengraden sehr seltene Bienenfresser lässt sich dann und wann blicken. Ihn zu sehen, ist uns an diesem Tag allerdings nicht vergönnt, dafür können wir in der Ferne Eisvögel, Kormorane und Kraniche sichten. Und Seeadler. „Hier im Anklamer Steinbruch gibt es die höchste Dichte an Seeadlern in Mitteleuropa“, berichtet Hoffmann stolz.

Günther Hoffmanns Begeisterung für das Wildnisgebiet ist ansteckend. Fast täglich hält er besondere Naturmomente mit seiner Kamera fest. Es lohnt sich, auf dem Facebook-Profil „Anklamer Stadtbruch“ vorbeizuschauen und seine wunderschönen Aufnahmen zu bestaunen: Silhouetten von Kranichen vor flammenden Sonnenuntergängen, die denen Afrikas Konkurrenz machen und Nebelschwaden, die mystisch überm Moor aufsteigen zum Beispiel. „Pommernkitsch“ nennt Hoffmann seine Werke mit einem Augenzwinkern. Ob es ihn zur Vogelbeobachtung auch mal in exotische Länder wie Panama zieht, fragen wir ihn. Nein, allein wegen des CO2-Austoßes des Fliegers würde er davon absehen. „Außerdem habe ich an Natur alles hier, was ich brauche“, sagt er mit leuchtenden Augen. Man glaubt es ihm sofort.

Atemberaubend schön: „Pommernkitsch“ nennt Günther Hoffmann Aufnahmen wie diese, die er fast täglich macht.

Tipp: Wenn ihr eine Bird Watching Tour bei Günther Hoffmann buchen möchtet, könnt ihr das über sein Facebook-Profil oder die Website Nature Guide Network tun.

Literaturtipp: Der Ruf der Kraniche: Expeditionen in eine geheimnisvolle Welt.**

 

Meine Geheimtipps für Mecklenburg-Vorpommern: Ein Bummel durch Ueckermünde

Zwischen dem Stettiner Haff und der Ueckermünder Heide liegt die kleine Hafenstadt Ueckermünde, die mir besonders gut gefallen hat. Denn die historische Altstadt wurde wunderschön restauriert und wartet hinter jeder Ecke mit architektonischen Überraschungen wie Fachwerk- und Gründerzeit-Häusern auf. Ich habe mich gefreut, viele junge Familien in Ueckermünde zu sehen. Die Hafenstadt ist ein idealer Zwischenstopp, wenn man auf der Durchreise zur beliebten Urlaubsinsel Usedom ist, die nur etwa 20 Kilometer Luftlinie entfernt liegt. Bei einer Stadtführung erfährt man allerlei Wissenswertes über Ueckermünde und seine Bewohner. In und um die Altstadt gibt es viele kleine Geschäfte, Cafés, Gaststätten und Bäckerläden, es lohnt sich also, etwas Zeit mitzubringen. Auch das Ueckermünder Schloss ist einen Besuch wert, es wird seit Ende des 18. Jahrhunderts als Rathaus genutzt. Auf dem Markplatz von Ueckermünde treffen wir zufällig auf zwei Reisende, die besonders nachhaltig unterwegs sind: Mit einfachen Fahrrädern haben sie sich von Berlin aus aufgemacht, um nach Usedom zu radeln. Eine beachtliche Strecke von über 200 Kilometern, Hut ab!

Wer sich für Traditionsschiffe interessiert, sollte sich eine Besichtigung oder gar eine Ausfahrt mit der Pommernkogge UCRA im Stadthafen von Ueckermünde nicht entgehen lassen. Dabei handelt es sich um die Rekonstruktion einer Ostseekogge nach historischen Vorlagen. Ein schwimmendes Museum der besonderen Art. Ein weiteres Highlight in Ueckermünde ist das Restaurant Roter Butt direkt am Bollwerk. Hier werden in maritimer Atmosphäre kulinarische Gaumenfreuden wie hauseigene Spezialitäten und regionale Produkte serviert. Was soll ich sagen, die Speisen sind einfach köstlich und jeden Cent wert!

Eine Kanutour auf der Peene bei Menzlin

Naturfans empfehle ich eine Kanufahrt auf dem „Amazonas des Nordens“. Diesen Namen erhielt der fast 90 Kilometer lange Fluss Peene wegen der fast unberührten und reizvollen Natur Vorpommerns, durch die er sich seinen Weg bahnt. Am Wiking-Grill beim Kanu-Verleih Menzlin könnt ihr euch Kanadier und Kajaks ausleihen und los geht’s. Es lohnt sich, unterwegs leise zu sein, so lassen sich mit etwas Glück am Uferbereich allerlei Tiere wie Biber oder Eisvögel beobachten.

Apropos Wikinger: Vor Ort könnt ihr auch eine geführte Tour zu den historischen Wikingergräbern „Altes Lager“ buchen. Früher befanden sich an dieser Stelle ein slawisches Siedlungsgebiet und ein wikingerzeitlicher Handelsplatz. Wer an der Tour „Auf den Spuren der Wikinger“ teilnimmt, bekommt zur Begrüßung Met aus einem Trinkhorn, es gibt eine Führung zum Alten Lager, die Möglichkeit, am Axtwerfen und Bogenschießen teilzunehmen und vieles mehr. Selbstverständlich hat auch der Tourführer den passenden Look.

Für Romantiker – das Wasserschloss Quilow

 

Dass dieses Denkmal erhalten und restauriert werden konnte, ist u.a. einer kleinen Gruppe engagierter Menschen mit großen Visionen zu verdanken. In Zukunft soll das das Wasserschloss Quilow ein kultureller und touristischer Anziehungspunkt im Naturpark Flusslandschaft Peenetal sein. In den historischen Gemäuern stecken viele spannende Geschichten. Es wurde 1575 im Renaissancestil erbaut und über die Jahrhunderte ganz unterschiedlich genutzt. Das Wasserschloss diente verschiedenen Familien als Anwesen, in DDR-Zeiten wurde es u.a. als Turnhalle, Kindertagesstätte und Gaststätte genutzt. Dann stand Quilow lange leer und verfiel. Schade um das schöne Anwesen. Zum Glück wurde es 2007 von der Stiftung Kulturerbe im ländlichen Raum Mecklenburg-Vorpommern gekauft. Bauherr Uwe Eichler und sein Partner Dirk Lagall kümmern sich rührend um das historische Gebäude. Sie kamen eher zufällig zu ihrer neuen Berufung, denn beide lebten und arbeiteten ursprünglich in Berlin. Uwe war Schauspieler mit einer eigenen Bühne, Dirk ist Sonderschullehrer und tauschte die Großstadt gegen das beschauliche Hansestädtchen Anklam ein. Bereut haben sie es bisher nicht.

Schließlich hat das Landleben seinen ganz eigenen Reiz: Die weitestgehend naturbelassene Landschaft mit ihren weiten Wiesen, Wäldern und dem Fluss Peene. Außerdem gibt es zahlreiche weitere Anwesen und Gutshäuser in der Umgebung, die zum attraktiven Landschaftsbild beitragen und Raum für interessante kulturelle, historische und touristische Projekte bieten. Bei unserem Besuch sind die Renovierungsarbeiten noch in vollem Gange, ich muss unbedingt wiederkommen und schauen, wie das tolle Anwesen aussieht, wenn es fertig ist.

 

Radtour nach Altwarp und zu den Altwarper Binnendünen

Unsere Radtour mit dem E-Bike führt uns von Ueckermünde in das Fischerdorf Altwarp. Auch hier gibt es einige architektonisch sehenswerte Häuser, ich habe mich direkt in ein blaues mit wunderschönem Garten verguckt. Auch der kleine Hafen, an dem ihr teilweise frisch gefangenen Fisch essen könnt, ist einen Besuch wert. Außerdem sind die Altwarper Binnendünen nicht weit entfernt. Dort findet ihr Flächen von Sandmagerrasen, Wacholderheiden und Kiefern-, Eichen- und Erlenwäldern, die mit vermoorten Wiesenniederungen verschmelzen. Der Naturpark zählt zu den schönsten Landschaften des Gebietes am Stettiner Haff. Die Binnendünen sind bis zu 15 Meter hoch und liegen nicht am Wasser, sondern ein ganzes Stück landeinwärts. Auch hier lassen sich zahlreiche seltene Tier- und Pflanzenarten entdecken. Welche das sind, zeigt uns Naturparkleiter Jochen Elberskirch vom Landesamt für Umwelt, Naturschutz und Geologie. Silbergras oder Kartäuser-Nelken zum Beispiel. Bedrohte Vogelarten wie der Seeadler sind regelmäßige Nahrungsgäste. Weil man als Laie viele Besonderheiten gar nicht erkennen würde, lohnt es sich auch hier, eine Führung zu machen.

 

Nachhaltig übernachten im Gutshof Liepen

Wenn ihr im Gutshof Liepen übernachtet, solltet ihr euch unbedingt den 8.000 Quadratmeter großen Garten des Hauses anschauen. All die farbenfrohen Blumen – von Dahlien und Astern bis hin zu Sonnenblumen. Doch der Garten von Stefan Wollert dient nicht nur zur Zierde: Was hier wächst, kommt auf den Tisch der Gäste. Es gibt Hochbeete mit Kräutern, Beete mit Artischocken, Kürbissen, Fenchel, etc. und Gewächshäuser mit Tomaten und Gurken. Auch essbare Blüten kommen zum Einsatz. Wollert legt viel Wert auf Nachhaltigkeit, sowohl bei der Energiegewinnung als auch beim verwendeten Wasser. Auch lokale Produzenten möchte er fördern. Und so stammen die meisten Produkte, die in der Küche verwendet werden, aus Eigenanbau und von Herstellern aus der Region. Fleischesser dürfen sich über Wildspezialitäten aus eigener Jagd freuen. Auch im kleinen Hofladen gibt es zahlreiche nette Dinge von lokalen Manufakturen, Höfen oder traditionellen Mühlen zu kaufen. Ein weiteres Highlight sind das hübsche Lesezimmer und der Spa-Bereich.

Tierbeobachtung auf der Peene  – auf Safari mit einer Solar-Yacht

Wir besuchen das kleine Örtchen Stolpe mit seinem hübschen historischen Stolper Fährkrug. Anlass ist die geplante Bird Watching Tour auf der Peene. Wieder mit dabei: Naturführer Günther Hoffmann. Wer Tiere beobachten möchte, muss sich möglichst lautlos fortbewegen. Das geht mit einem Solarboot besonders gut. Stefan Wollert präsentiert uns stolz seine „Uhura“ – die weltweit erste in Serie produzierte Solar-Yacht. Zum Einklang gibt es zahlreiche Köstlichkeiten vom Gutshof Liepen, dann werden die Ferngläser und Teleobjektive ausgerichtet. Und wir müssen nicht lange warten, bis sich ein „Objekt der Begierde“ zeigt. Hoch oben auf einem Baumwipfel sitzt ein Seeadler, der sich nicht durch unsere Anwesenheit stören lässt.

 

So kann ich ihn eine ganze Weile mit dem Fernglas beobachten. Was für ein majestätisches Tier, nie zuvor war ich einem Adler so nah. Weiter und weiter gleiten wir übers Wasser, dem Sonnenuntergang entgegen.

Tipp: Chartern lässt sich die Uhura über den Gutshof Liepen. Über die Website Nature Guide Network könnt ihr Solarboot-Touren mit Günther Hoffmann buchen.

Nachhaltig übernachten am Stettiner Haff

Die Landschaft des Stettiner Haffs ist von Wiesen, Buchenwäldern, Dünenzonen, Heideflächen und Mooren geprägt. Ein richtiges Naturparadies also. Im Sommer freut man sich besonders über die zahlreichen kleinen Badestrände, die zwischen den Schilf-Flächen angelegt wurden. Inmitten dieser schönen Umgebung liegt die Hotel- und Ferienanlage Haffhus, die im April 2020 mit dem Marketing-Award „Leuchttürme der Tourismuswirtschaft“ ausgezeichnet wurde. Dirk Klein, Leiter Nachhaltigkeit und Digitalisierung, zeigt uns, wie es das Haffhus in Ueckermünde schafft, dass der Betrieb das ganze Jahr über ausschließlich mit erneuerbaren Energien versorgt werden kann. Solar, Wärmepumpen und Holz tragen dazu bei. Weitere Nachhaltigkeitskonzepte sind Ladestationen für E-Autos und der Verleih von E-Bikes und E-Rollern.

Mein Tipp: Wenn ihr hier einmal herkommt, solltet ihr euch ein Zimmer mit Ausblick aufs Wasser gönnen.

 

 

Anreise & Infos: Peenetal und Stettiner Haff, Mecklenburg-Vorpommern

Anreise mit dem Zug: Mit dem ICE geht es nach Berlin Gesundbrunnen, von dort fährt ein ICE weiter nach Anklam oder ein Regional-Express nach Ferdinandshof.

Gut zu wissen: 2017 wurde die Peeneregion mit dem Sonderpreis „Naturerlebnis & biologische Vielfalt„ des Bundeswettbewerbes Nachhaltige Tourismusdestinationen 2016/2017 ausgezeichnet.

Unterkunft: Ihr sucht noch nach außergewöhnlichen Unterkünften oder Ferienhäusern, dann schaut euch meine Übernachtungstipps für Mecklenburg-Vorpommern an**.

Regionale Köstlichkeiten: Naturprodukte aus der Region gibt’s in der Original Bauerngarten Manufaktur in Ferdinandshof. Fruchtaufstriche, Gelees, Chutneys, Senf und vieles mehr. Vor-Ort-Verkostungen können gebucht werden, ein Online-Shop ist auch vorhanden.

Weitere Tipps & Infos zu Vorpommern: Auf www.vorpommern.de findet ihr viele weitere Ideen für euren Urlaub. Unter info@vorpommern.de könnt ihr Ansprechpartner für Angebote in der Region kontaktieren.

Reise-Literatur: 52 kleine & große Eskapaden in Mecklenburg-Vorpommern an der Ostsee: Ab nach draußen! (DuMont Eskapaden) **

Fotos: Lukas Holzmeier, Rebecca Schirge

 

*Quelle: Bundesregierung

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